Wie mich eine Maus an die Atlantikküste gespült hat

Warum der 22. März ein ganz besonderen Tag für mich ist und was Frederick, die Maus, damit zu tun hat, dass ich nach Portugal ausgewandert bin.

Oder wie mich ein Buch für Kinder inspiriert hat, mein Leben komplett umzukrempeln

Der 22. März ist seit einigen Jahren für mich ein ganz besonderer Tag. Denn an ihm habe ich im Jahr 2016 Nägel mit Köpfen gemacht und meine Kündigung eingereicht. Aber ganz von vorne …

Die Vorgeschichte

Es ist noch gar nicht lange her, da bin ich in meinem Angestelltenjob als Marketingleitung voll aufgegangen. Eine spannende Marke, ein tolles Team und coole Projekte gepaart mit dem Jetset-Leben zwischen Stuttgart und London. Aber irgendwas hat gefehlt.

Diese Leere oder Sehnsucht habe ich versucht mit Reisen und neuen Hobbies zu füllen. Und so bin ich irgendwann in einem August an der Silberküste in Portugal gelandet, um Surfen zu lernen. Dabei habe ich nicht nur meine Passion fürs Wellenreiten entdeckt, sondern mich auch in das Fleckchen Erde bzw. Klippen und Meer verliebt.

Ein Jahr später war ich wieder da im Urlaub und habe drei bekannte Gesichter aus dem Surfkurs des Vorjahres wiedergetroffen. Die haben mir vorgeschwärmt, dass sie im Oktober wiederkommen, diesmal off Camp sich eine Wohnung mieten und free surfen wollen. Ob ich mit dabei wäre. Aber klar doch!

Ein schicksalhafter Oktober

Kaum zurück im Büro habe ich meinen Chef um eine weitere Woche Urlaub im Oktober gebeten und den Mädels Bescheid gegeben, dass ich mit von der Partie bin.

Dieser Urlaub war anders. Statt dem Ölsardinenfeeling – typisch für Juli und August in Portugal – erwarteten uns menschenleere Strände und Wellen weit außerhalb unserer Komfortzonen. Dafür war der Surfzirkus in der Stadt: Die besten Surfer der World Surf League gaben sich ihr Stelldichein beim Kampf um die Weltrangliste und boten uns eine Show.

Mit selber Surfen war in diesem Urlaub nicht viel, die Wellen waren für unser Können viel zu groß. Aber es herrschte eine ausgelassene Stimmung und wir verbrachten viel Zeit bei guten Gesprächen am Abendtisch bei der ein oder anderen Flasche Wein. Wir waren 4 Mädels, alle mehr oder weniger Mitte dreißig und dem Wunsch, irgendwann am Meer zu leben. Und da keimte in mir eine Idee …

Frederick, die Maus

Und so saß ich dann eines Tages in einem Meeting mit meinem Chef und habe ihm von Frederick, der Maus, erzählt. Frederick, die Maus ist ein Kinderbuch von Leo Lionni, aus dem ich vermutlich das erste Mal im Kindergarten gehört habe – und das mich so nachhaltig angesprochen haben muss, dass ich mich in besagtem Meeting über dreißig Jahre später dran erinnert habe.

Für die, denen die Geschichte nicht geläufig ist, hier noch einmal meine kurze Zusammenfassung: Der Sommer neigt sich dem Ende zu, die ersten Blätter fallen und eine Gruppe an Mäusen bereitet sich auf den herannahenden Winter vor. Sie sammeln fleißig Vorräte, Körner, Nüsse, Stroh. Alle sind sie fleißig am Arbeiten. Alle, bis auf Frederick. Zum Unmut der anderen liegt Frederick den lieben langen Tag mit geschlossenen Augen in der Sonne, schnuppert an Blumen oder lässt die Farben der Natur auf sich wirken.

Der Winter kommt und die Mäuse ziehen sich in ihr Quartier zurück. Der Winter ist lang und hart und kalt. Irgendwann sind alle Vorräte aufgefressen und der Frühling ist noch weit entfernt. Da regt sich unter den Mäusen der Groll, sie fangen an Frederick, Vorwürfe zu machen: „Hättest Du uns mal geholfen. Dann hätten wir alle noch etwas zu fressen. Du bist schuld, dass wir jetzt hungern müssen.“ Da sagt Frederick: “Aber ich habe doch auch gesammelt.“ Und er holt seine Vorräte hervor – er beginnt davon zu erzählen, wie sich die wärmenden Sonnenstrahlen auf der Haut anfühlen, er beschreibt den Duft und die Farben der Blumen,  er beschwört all die Erinnerungen an eine bessere Zeit herauf… Und die Mäuse schöpfen wieder Hoffnung. Eine Hoffnung, der sie über den Rest des Winters trägt. Der Frühling kommt und sie können ihr Quartier verlassen. Alles ist gut.

Hä, was jetzt?

Soweit zur Geschichte. Mein Chef wiederum wusste nicht so ganz, was er damit anfangen sollte. Seine Verwirrung stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben – ein Anblick, den ich gerne genossen habe 😉 Um ihm von seiner Verwirrung zu befreien, habe ich es nochmal für ihn zusammengefasst: “Rudi, es ist an der Zeit für mich, wieder Sonnenstrahlen zu sammeln.“ Und dann habe ich ihn nach einem Sabbatical gefragt. Ich wollte 6 Monate Auszeit, um raus zu gehen in die weite Welt (in meinem Fall Portugal), durchzuatmen, wieder Kraft zu tanken und Erinnerungen zu sammeln, von denen ich im Winter zehren konnte.

Er fand die Idee gut. An und für sich. Aber er müsse erstmal abklären, ob das möglich wäre. Das zog sich einige Monate. Das Ende vom Lied: Die Umstände haben es leider nicht erlaubt. Ich wusste aber tief in mir drinnen, dass ich unbedingt auf Sonnenstrahlenfang gehen musste.

Nägel mit Köpfen

Also habe ich am besagten 22. meinen Job offiziell gekündigt, im Anschluss meine Wohnung aufgelöst, habe meine Instagrambio auf „Ich sammle unterwegs Erinnerungen. Und Sonnenstrahlen. Vergiss nicht die Sonnenstrahlen!“ geändert und bin 8 Wochen später mit einem One-Way Ticket nach Lissabon geflogen.

Das Ganze ist jetzt acht Jahre her. Ein Schritt, denn ich nie bereut habe 😁 Und dabei wusste ich am Anfang nicht, ob ich meinen Chef nicht doch nach drei Monaten heulend anrufe und anflehe, mich doch bitte, bitte zurückzunehmen. Spoilert Alert: Das ist nicht passiert.

Die Moral von der Geschichte

Achtsamkeit ist wichtig. Manchmal geht irgendwo eine Tür zu, dafür woanders eine andere auf. Du bist Deines eigenen Glückes Schmied. Jeder hat nur ein Leben. Jeder lebt zum ersten Mal und keiner von uns kommt da lebendig raus – also mach was draus! ✌

Über mich
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